Die maximale Herzfrequenz – ein Einblick in die Forschung

Die maximale Herzfrequenz oft einfach durch Formeln berechnet. Weil das heute die Smartwatches und Fitnessuhren übernehmen, wird es kaum noch reflektiert. Die Forschung zeigt aber, dass man über dieses Thema ruhig mal nachdenken kann
Die maximale Herzfrequenz - Symbolbild
Astrid Kurbjuweit
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6 Minuten
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Die maximale Herzfrequenz ist ein wichtiges Datum bei der Trainingssteuerung. Da sie insbesondere bei Sportanfängern und bei Patienten in der Rehabilitation nicht immer gemessen werden kann, sucht man nach Methoden, die eine möglichst genaue und unkomplizierte Schätzung ermöglichen.

Besonders häufig wird dabei die Formel

HFmax = 220 – Lebensalter

verwendet. Sie sagt zum Beispiel für einen 30-jährigen eine maximale Herzfrequenz von 190 Schlägen in der Minute und für einen 50-jährigen von 170 Schlägen in der Minute voraus.

Metaanalyse

Hirofumi Tanaka, Kevin D. Monahan und Douglas R. Seals (2001) haben sich für die Frage interessiert, inwieweit diese Formel zu einer korrekten Vorhersage der maximalen Herzfrequenz führt.

Deshalb haben sie bereits 2001 eine Metanalyse durchgeführt und veröffentlicht, in der sie 351 empirische Studien mit insgesamt 18.712 Probanden analysierten. Zu dem Zeitpunkt gab es also schon mindestens 351 Untersuchungen zu dieser Fragestellung.

In allen analysierten Untersuchungen war die maximale Herzfrequenz der Probanden gemessen worden. Dazu war für jeden Probanden das Alter und das Geschlecht bekannt. Viele Untersuchungen hatten weiterhin den BMI (Body mass index) und den Aktivitätslevel erhoben.

Es zeigte sich, dass weder Geschlecht noch BMI einen Einfluss auf die Höhe der maximalen Herzfrequenz hatten. Auch die sportliche Aktivität der Probanden beeinflusste die maximale Herzfrequenz nicht.

Das bedeutet, die Höhe der maximalen Herzfrequenz ist unabhängig davon, ob jemand männlich oder weiblich ist, ob er dick oder dünn ist und ob er Sport macht oder nicht.

Allerdings hing die Höhe der maximalen Herzfrequenz in eindeutiger Weise vom Alter ab.

Ältere Probanden hatten im Durchschnitt niedrigere maximale Herzfrequenzen als jüngere Probanden.

Der Abfall war allerdings weniger stark als von der Formel HFmax = 220 – Lebensalter vorhergesagt. Die Formel, die die Daten aus der Metaanalyse am besten abbildet, ist

HFmax = 208 – 0.7 * Lebensalter.

Diese Formel sagt für jüngere Probanden niedrigere maximale Herzfrequenzen voraus und für ältere Probanden höhere maximale Herzfrequenzen als die altbekannte Formel.

Vor allem der letztere Punkt hat eine wichtige Bedeutung für die Praxis, da gerade bei älteren Menschen oft die maximale Herzfrequenz geschätzt wird, um Überlastung zu vermeiden.

Maximale Herzfrequenz und Lebensalter: Zusammenhang grafisch dargestellt

Zusammenhang von Lebensalter und maximaler Herzfrequenz in zwei verschiedenen Formeln
Bild: Eigene Grafik

Ein Ergebnis der Metaanalyse ist also, dass es eine bessere Formel als die altbekannte gibt, um die durchschnittliche maximale Herzfrequenz für Menschen unterschiedlichen Alters zu schätzen:

HFmax = 208 – 0.7 * Lebensalter.

Emprirische Querschnittsuntersuchung

Die neue Formel schätzt den Mittelwert der maximalen Herzfrequenzen unterschiedlich alter Menschen besser als die alte Formel. Aber sie kann natürlich immer nur den Mittelwert schätzen.

Die tatsächliche maximale Herzfrequenz eines einzelnen Menschen läßt sich nicht mit einer Formel berechnen.

Deshalb wollten Hirofumi Tanaka, Kevin D. Monahan und Douglas R. Seals auch noch wissen, wie hoch die tatsächlichen maximalen Herzfrequenzen verschieden alter Menschen sind und ob man sie mit der neuen Formel gut oder eher nicht so gut vorhersagen kann.

Verteilung der empirischen Daten zu maximaler Herzfrequenz und Alter. Die Grafik gibt einen Eindruck, es gibt viel Varianz

Verteilung der empirischen Daten zu maximaler Herzfrequenz und Alter. Die Grafik gibt einen Eindruck, es gibt viel Varianz
Bild: Eigene Grafik

Sie untersuchten 514 gesunde Probanden, die zwischen 18 und 81 Jahren alt waren. Es waren 237 Männer und 277 Frauen.

229 Probanden, sowohl Männer als auch Frauen, waren ausdauertrainiert, sie trainierten seit mindestens zwei Jahren. Die anderen 285, auch sowohl Männer als auch Frauen, waren unsportlich.

Nach einem medizinischen Check wurde die maximale Herzfrequenz jedes Probanden mit einem Laufbandtest ermittelt.

Es ergab sich, dass die maximale Herzfrequenz unabhängig ist vom Geschlecht und von der sportlichen Aktivität.

Wie in der Metaanalyse hing die maximale Herzfrequenz aber sehr stark vom Alter ab. Ältere Menschen haben geringere maximale Herzfrequenzen als jüngere Menschen.

Es ergab sich auch praktisch dieselbe Regressionsgleichung wie in der Metaanalyse:

HFmax = 209 – 0.7 * Lebensalter.

Daneben zeigten sich aber deutliche individuelle Variationen. Die Abbildung soll einen Eindruck von dieser Variation vermitteln.

Beide Untersuchungen zusammen, die Metaanalyse und die empirische Untersuchung, zeigen also, dass sich die maximale Herzfrequenz nicht besonders gut durch die altbekannte Formel HFmax = 220 – Lebensalter schätzen lässt.

Die Metanalyse zeigte, dass schon die Schätzung der Mittelwerte besser mit der Formel HFmax = 208 – 0.7 * Lebensalter gelingt, und die empirische Untersuchung zeigt die deutlichen Abweichungen zu den individuellen Messwerten, mit denen man bei einer Schätzung durch eine Formel rechnen muss.

Bestätigt hat sich allerdings die Annahme, dass ältere Menschen niedrigere maximale Herzfrequenzen haben als jüngere Menschen.

Es bleibt nur die Frage, ob sich dies auch im individuellen Verlauf bestätigen lässt, also ob die maximale Herzfrequenz eines Menschen auch tatsächlich mit dem Alter absinkt. Mit dieser Frage beschäftigt sich die nächste Untersuchung.

Empirische Längsschnittuntersuchung

Eine andere Forschergruppe hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich die maximale Herzfrequenz im Laufe des Lebens verändert.

Ronald L. Gellish, Brian R. Goslin, Ronald E. Olson, Audry McDonald, Gary D. Russi und Virinder K. Mougdil (2007) führten zu dieser Fragestellung eine Längsschnittuntersuchung durch, in der sie eine Gruppe von 132 Probanden über 25 Jahre immer wieder untersuchten, sodass am Ende 908 Tests vorlagen.

Diese Gruppe war aus einer größeren Gruppe ausgewählt worden, die aus den Mitgliedern eines Fitness- und Gesundheitscenters bestanden. Es wurden nur die Personen in die Stichprobe aufgenommen, die mindestens sechs jährliche Untersuchungen mitgemacht hatten und die als gesund befunden wurden.

Die maximale Herzfrequenz wurde mit einem Laufbandtest ermittelt. Außerdem wurden Alter, Geschlecht, BMI, Ruheherzfrequenz und eine Reihe medizinischer Werte erhoben.

Für die Auswertung wurden alle Tests einer Person herangezogen, bis auf den ersten. Der erste Versuch, die maximale Herzfrequenz zu messen, ergibt oft niedrigere Werte, so als ob die Probanden die maximale Ausbelastung erst lernen müssten. Diese ersten, niedrigeren Testwerte wurden von der Auswertung ausgeschlossen.

Die Daten wurden nicht mit einfacher Regressionsanalyse ausgewertet, sondern mit speziellen Auswertungsverfahren, die die Abhängigkeit der Datenreihen berücksichtigen.

Wie in den oben berichteten Untersuchungen konnte außer dem Alter keine andere Variable zur Vorhersage der maximalen Herzfrequenz beitragen.

Die statistisch komplexen Auswertungsverfahren ergaben, dass die Daten am besten durch die Formel

HFmax = 207 – 0.7 * Lebensalter

abgebildet werden. Diese Formel ist fast identisch mit der Formel aus der Querschnittsanalyse von Tanaka, Monahan & Seals (2001). Diese waren auf HFmax = 208 – 0.7 * Lebensalter gekommen. Trotz unterschiedlicher Art der Datenerhebung (Querschnitt- versus Längsschnittuntersuchung) und daraus folgender verschiedener Auswertungsmethoden ergibt sich fast dasselbe Ergebnis.

Die Unterschiede zwischen den empirisch ermittelten Formeln sind jedenfalls deutlich geringer als der Unterschied zur klassischen Formel HFmax = 220 – Lebensalter.

Die neuen Formeln schätzen also sowohl die Unterschiede zwischen verschieden alten Individuen als auch die Entwicklung der maximalen Herzfrequenz im Laufe der Jahre besser ein als die traditionelle Formel.

Die Untersuchungen zeigen aber auch, dass die Vorhersage der maximalen Herzfrequenz eines Individuums auf der Basis einer Formel in jedem Fall mit einem großen Fehler behaftet ist.

Für ein herzfrequenzgesteuertes Training ist es also besser, die HFmax zu messen, statt sie zu berechnen.

Literatur

Gellish, R. L., B. R. Goslin, R. E. Olson, A. McDonald, G. D. Russi,
& V. K. Mougdil (2007). Longitudinal Modeling of the Relationship
between Age and Maximal Heart Rate. Medicine & Science in Sports & Exercise 39:822-829.

Tanaka, H., K. D. Monahan, & D. R. Seals (2001). Age-predicted
maximal heart rate revisited. Journal of the American College of Cardiology 37:153-156.

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